Das Lexikon der filmmusikalischen Begriffe
von Aileen Richter
Hinweis: Das Lexikon wird stetig erweitert und zog zur Information externe Quellen heran. Diese sind nach dem letzten Eintrag aufgezählt.
Arrangeur
Ein Arrangeur ist jemand, der Musik für eine Filmmusik adaptiert oder orchestriert. Oft sucht er die Gegenthemen aus, die das zentrale Thema im Film kontrastieren.
Bannungseffekt
Im Zusammenhang mit den verschiedenen Aufmerksamkeitsspannen, die Bild und Ton auf sich ziehen, ist von Filmmusikern manchmal vom Bannungseffekt gesprochen worden: Wenn die Bildebene aufgrund ihrer besonders starken Aussagekraft oder ihrer komplexen Struktur den Zuschauer ganz beschäftigt, bleibt für die Wahrnehmung der akustischen Ebene keine Aufmerksamkeit mehr übrig. Der Begriff ist wohl metaphorisch aus der Ritualforschung übernommen worden; dort bezeichnet er den Grad des Eintauchens in die Kontemplationen des Rituals.
Beat
(1) Engl. für eine kurze Pause oder einen Augenblick des Innehaltens oder Zögerns. In Drehbüchern verwendet als in Klammern geschriebene Anweisung, die in einem Dialog oder auch im Handlungsverlauf eine dramatische Kunstpause fordert.
(2) In der engl. Musikterminologie steht der Ausdruck für eine rhythmische Einheit, einen Hauptakzent oder eine rhythmische Bewegung. Meint auch den Herzschlag. Im Bereich der Drehbuchentwicklung zeigt er einen markanten Betonungspunkt im Rhythmus der Story an, der wie der verwandte plot point eine Scharnierfunktion besitzt, die Fortgang und Wendungen der Erzählung beeinflusst. Die kurz notierende Beschreibung der Abfolge von Hauptereignissen eines dramatischen Stoffes wird oft beat sheet genannt.
cue sheet
(1) Als cue sheets bezeichnet man Listen mit Musiknummern (cues), die in der Stummfilmzeit von den Produktionsfirmen zur musikalischen Unterlegung eines Films ausgegeben wurden. Die ersten Jahre waren die Filme ohne jedes Begleitmaterial ausgegeben wurden, die musikalische Begleitung oblag jedem einzelnen Kino. Als sich um 1905 Nachfrage nach einer stärkeren Vorproduktion der Musiken erhob, gaben die Firmen ihren Filmen Listen bei, auf denen den Kinokapellmeistern und -pianisten zu den stichwortartig genannten Filmszenen geeignete Musikvorschläge, gemacht wurden. In vielen Fällen wurde nicht nur der allgemeine Charakter der Musik benannt, der zu einer Szene gespielt werden sollte, sondern auf konkrete Stücke Bezug genommen, die nach Möglichkeit gespielt werden sollten. Dabei wurden oft recht genau Aufführungsanweisungen gegeben. Man bezog sich auf das bekannte und leicht zugängliche Repertoire der populären Opern und Operetten des 19. Jahrhunderts, auf Tanz- und Volksmusik, aber auch Kirchen- und Militärmusik, zunehmend auch auf Schlager, die mit dem Grammophon immer größere Bedeutung bekamen.
(2) Für die Abrechnung den Rechteinhabern und den Verwertungsgesellschaften gegenüber werden sogenannte cue sheets angefertigt, die den Komponisten, den Produzenten, die Verbände der beteiligten Parteien (so wie ASCAP, BMI, SESAC), den Titel des Stücks, die tatsächlich verwendete Länge und Hinweise auf die Rolle, die das Stück spielt (als Hintergrund- oder diegetische Radiomusik, als tragende Musik usw.), verzeichnet. Der Music Editor füllt die cue sheets aus, die die Grundlage für die Gebühren sind, die an die Rechteinhaber zu zahlen sind. Möglicherweise stammt die Bezeichnung aus der Zeit, als Komponisten sich Notizen machen mussten, welche Musiken zu welchen Szenen komponiert werden sollten.
Derivat
(1) Dass Filmmusiken nicht immer Originalkompositionen sind, sondern oft aus Variationen, Überarbeitungen, Modernisierungen, Neufassungen schon vorhandener Musiken bestehen, ist altbekannt. Man nennt derartige Stücke Derivate. Manchmal sind die Ableitungen höchst komplex und eröffnen eine zweite, nur Kennern der Musik zugängliche Bedeutungsebene (wie die Musiken Michael Nymans zu den Filmen Greenaways manchmal eine höchst raffinierte Doppelung und Modifikation der Mozart-Originale vorlegen). Manchmal lösen Derivatierungen Musiken aus ihrer Bindung in den Film, sei es als auskomponierte Orchesterfassung, als eigene Soundtrack-Fassung oder als Hommage an einen Komponisten (wie John Zorns 1984-85 entstandenes Projekt Big Gundown: Music of Ennio Morricone). Zu den bekanntesten Derivaten klassischer Musik gehören die von Wendy Carlos betreute Adaptation klassischer Stücke von Rossini, Beethoven, Elgar mit einem Moog-Synthesizer (für Kubricks Film A Clockwork Orange, 1971).
(2) Zwar ist der Begriff der Hybridisierung zu einer der gebräuchlichsten Bezeichnungen für kulturelle Vermischungen geworden, doch spricht man auch bei Stil-Ableitungen (wie bei der Weltmusik und deren Pop-Derivat World Beat) von Derivaten.
diegetisch
Musik, die im Film integriert ist, welche die Protagonist:innen ebenso wahrnehmen z.B. Autoradio
Direct sound
Sound vom Set
extradiegetisch
dem Film zugefügte Musik, score
Filmschlager
Lieder, die speziell für einen Film geschrieben wurden und durch den Film zu eigener Popularität gelangt sind (auch wenn die Bezeichnung im Alltagsgebrauch oft auf deutsche Schlager eingeschränkt wird).
Foley
Geräuschemacher, nach Jack Foley
Hummer
Mit der höchst abfälligen Bezeichnung hummer werden solche Personen bezeichnet, die sich zwar selbst als „Komponisten“ bezeichnen, die aber tatsächlich unfähig sind, eine genau auf das Bild abgestimmte Komposition anzufertigen; insofern sind sie auf die Mitarbeit von anderen Komponisten, Arrangeuren und Toningenieuren angewiesen, die die eigentlich Anpassung von Musik und Bild herstellen. Ein hummer reklamiert aber die Rechte für die Komposition für sich selbst – ungeachtet der tatsächlichen Verantwortung und Leistung.
Illustrationsmusik
Als Bildbeigabe oder Abbildung ein gängiger Begriff im Printbereich bedeutet im filmischen Kontext die musikalische (Film-) Illustration die Zusammenstellung (compilation score) einer Begleitung für einen konkreten Film aus bereits existenten Musikstücken.
Kennmelodie
Den Hauptdarstellern oder Hauptelementen eines Films werden bestimmte, sie charakterisierende musikalische Themen zugeordnet und die Beziehungen zwischen den Personen in Beziehungen zwischen den musikalischen Themen übertragen.
Zuordnung von Musik und einzelnen Handlungsträgern sowie Handlungsabläufen, wodurch Bezüge hergestellt werden können (was auch durch musikalische Zitate erreicht wird).
Kinoorgel
Mit der Erfindung einer elektrisch geregelten Orgel im Jahre 1900 durch den englischen Ingenieur Robert Hope-Jones, mit der es möglich ist, Register als eine Art „Auszüge“ aus Orgelpfeifenreihen zu definieren, so dass sehr viel mehr Register mit weniger Pfeifen dargestellt werden können, sind die Voraussetzungen erschaffen, die Orgel auch im Kino einzusetzen. Die amerikanische Firma Rudolph Wurlitzer Company, die die Patente von Hope-Jones 1910 gekauft hatte, bot ab 1912 Orgeln für die Verwendung in Kinos an. Bis zum Ende der Stummfilmzeit verkaufte die Firma 2.238 Geräte (wobei der Gesamtbestand an Kinoorgeln auf 7.000 geschätzt wird). Es waren zwei Typen im Einsatz: die große Kinoorgel sowie eine kleinere (und billigere) Ausgabe als Kombination von kleiner Orgel und Klavier, auf der der Spieler das Instrument während der Vorstellung wechseln konnte.
Komposition
Musik, die extra für einen Film angefertigt wird.
Kompilation
Schon bestehende Musik, die unter einen Film gelegt wird.
Kontrapunktierende Musik
Der eindeutige Charakter der Musik widerspricht den eindeutigen Bildinhalten.
Die Musik steht im Gegensatz zu der im Film gezeigten Bildfolge.
Leitmotivtechnik
Diese Technik geht auf Richard Wagner zurück, der sie im 19. Jahrhundert in seinen Opern und Musikdramen bekannt gemacht hat. Bei der Leitmotiv-Technik werden musikalische Motive benutzt, um sie in verschiedenen Variationen immer wieder zu verwenden. Dabei können sowohl die Instrumente als auch die harmonische Begleitung variieren.
Main Title
Früher die zentrale Musikidee des Films, von welcher Szenen geprägt werden.
Seit ca. 20 Jahren auch Chart-orientierte Titel, welche schon vor Filmstart für diesen Werben sollen.
Mickey-Mousing
Der total schnittgleiche Einsatz von Ton und Bild. Bewegungen im Bild und die Musik verlaufen hierbei absolut synchron, z.B. in Walt-Disney-Zeichentrickfilmen.
Mood-Technik
Den Szenen eines Films werden untermalende oder kommentierende Nummern zugeordnet, musikalische Stimmungsbilder, die thematisch mehr oder minder voneinander unabhängig sind.
Die Musik dient als zusätzliche Stimmungskolorierung, die Stimmung der Szene wird durch den Ton noch unterstützt, wobei entweder Gefühle der Zuschauer angesprochen werden oder Befindlichkeiten der gespielten Figuren zum Ausdruck kommen.
Paraphrasierende (verdeutlichend umschreibende) Musik
Der eindeutige Charakter der Musik stimmt mit den eindeutigen Bildinhalten überein. Im Bild gezeigte Inhalte werden musikalisch unterstützt, visuelle Bewegungsabläufe werden mit entsprechender musikalischer Bewegung unterlegt.
Polarisierende Musik
Der eindeutige Charakter der Musik schiebt inhaltlich neutrale oder doppeldeutige Bilder in die Richtung, die ihr Charakter vorgibt.
Ein inhaltlich neutrales Bild wird durch die Musik in eine bestimmte Richtung gedrängt.
Sneak
Wenn ein musikalisches Motiv oder eine Phrase „schleichend“ in die Erzählung eingeführt wird, spricht man von einem sneak – meist ist dann ein Dialog mit einer leisen, kaum merklichen Musik unterlegt, die man zunächst gar nicht bemerkt oder als eine Einfärbung des Gesprochenen wahrnimmt; erst danach wird die Musik zu voller Laustärke aufgezogen und beherrscht den Ton. Ein berühmtes Beispiel entstammt The Adventures of Robin Hood (USA 1938, Musik: Erich Wolfgang Korngold), in dem zunächst ein leises Lautensolo einen Sprechtext der Will-Scarlett-Figur unmerklich begleitet, bevor das volle Orchester in den Soundtrack einstimmt. Auch die (oft nach wenigen Takten) stillschweigend vollzogene Ergänzung eines (in der diegetischen Realität gespielten) Instruments durch ein unsichtbares nichtdiegetisches Orchester wird sneak genannt.
source music (off-score music)
Die Darsteller im Film können diese Musik selbst hören bzw. die Musik spielt im Film selbst. Oft geht es um eine Verstärkung der Bildaussage oder um eine inhaltliche Verknüpfung.
Sound Design
Die Tongestaltung, das so genannte Sound Design, bezeichnet einen Arbeitsschritt während der Postproduktion eines Films und umfasst die kreative Herstellung, Bearbeitung oder Mischung von Geräuschen und Toneffekten.
Spotting
An der spotting session nehmen neben dem Regisseur und dem Komponisten eines Films optionalerweise noch der music editor und der Produzent teil. Es geht darum, den Rohschnitt eines Films durchzusehen und festzulegen, an welchen Stellen Musik einsetzen soll, welche Aufgaben die Musik an den einzelnen Stellen zu erfüllen hat etc
Talkies
Bezeichnung für die ersten Tonfilme
Temporalisierung
*Animation: unbewegtes Bild kann durch Ton Bewegtheit erhalten
*Linearisierung: Bilder können durch Ton eine Abfolge ergeben
*Vektorisierung: Bild wird durch Ton in dem Sinne dramatisiert, dass eine bestimmte Entwicklung antizipiert werden kann
theme music
Eine ganze Reihe von Filmen haben ein zentrales musikalisches Thema, das mehrfach im Film auftaucht und das darüber hinaus oft als den ganzen Film kennzeichnende Musik angesehen wird.
theme song
Erkennmelodie eines Films. Während das Score, die Begleitmusik des Films, der Schaffung einer Atmosphäre dient und oft nicht bewusst wahrgenommen wird (bzw. werden soll), haben Theme Songs die Funktion von Kennmarken. Ähnlich wie Key-Art-Symbole dienen sie der Produktdifferenzierung. Hitsongs gehören seit den 1920er Jahren zum Repertoire der Filmvermarktung. Der Theme Song ist in dieser Funktion eine Innovation der 1950er Jahre.
timing notes
Als cue sheets bezeichnete man in der Stummfilmzeit Listen mit Musiknummern (cues), die von den Produktionsfirmen zur musikalischen Unterlegung eines Films ausgegeben wurden. Im Tonfilm wurden daraus die timing notes, denen der Komponist detaillierte Szenenbeschreibungen und exakte (in aller Regel bildgenau koordinierte) Timecode‑Informationen entnehmen konnte, so dass beim Einspielen der Musik bis auf Sekundenbruchteile genaue zeitliche Angaben zum Ein‑ und Ausstieg und zur Gesamtlänge der Musikstücke vorlagen.
Underscoring
Unterlegung der Filmhandlung samt Dialogen und Geräuschen mit einem eigens angepassten Musikteppich, indem die Musik die Filmhandlung detailliert nachvollzieht. Dies ist ein Verfahren der Hollywoodsinfonik, das in den 50er Jahren weitgehend verschwand und einem sparsameren und gezielten Musikeinsatz Platz machte. Musik im Film kann für Kontinuität sorgen, wo der Bildablauf sich diskontinuierlich darstellt.
Voice-Over
Auf der Tonspur vermittelt eine Erzählerstimme Informationen, die die Zuschauenden zum besseren Verständnis der Geschichte benötigen.
Quellen:
http://www.mus4.net/kategorie-schule/filmmusik/111-filmmusikalische-fachbegriffe.html
https://quizlet.com/193718770/filmmusik-fachbegriffe-flash-cards/
https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/f:filmmusik-3593
https://elmu.online/articles/schule-lernen-techniken-filmmusik