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„A Symphony of Noise“ – Wie nehmen wir den Klang der Welt war?

von Alexa Helmich

“Es ist als hätte man den Schlüssel zum Universum bekommen.”

– Matthew Herbert

Der Raum ist beinahe gefüllt als Musikjournalist Ulrich Steinmetzger am 21. September 2021 die Veranstaltung „A Symphony of Noise“ aus der Reihe Musikfilme im Saal des Puschkinos mit einem persönlichen Beitrag über die Arbeit Matthew Herberts sowie die Dokumentation “A Symphony of Noise” beginnt. Im Kino herrscht eine warme Atmosphäre, einige Bekannte und Familienmitglieder des Journalisten sind anwesend, die meisten Gäste haben es sich mit Getränken auf ihren Plätzen gemütlich gemacht. 

Steinmetzger vermittelt in seiner einführenden Rede bereits eine tiefe Bewunderung Herberts, als der Film beginnt kann man es kaum erwarten, diese Begeisterung mit ihm zu teilen.

Mit „A Symphony of Noise“ produzierte Enrique Sánchez Lansch eine, über 10 Jahre hinweg entstandene Dokumentation, die einen Einblick in die Arbeit und das kreative Schaffen des Komponisten Matthew Herbert gewährt. Wir begleiten ihn unterwegs in deutsche Wälder, mit der Frage “Wie hört sich die Welt an? – aus der Perspektive eines Baumes”, wir hören zu, als ein Schwein sein Leben beginnt und aufwächst, das zischende Rauschen und Gluckern einer Trompete in heißem Öl, Herbert spitzt unsere Ohren für die Klänge des Alltags, wie absurd diese Szenarien auch sein mögen, schenkt er der Welt eine Bühne, die wir wohl nie erkundet hätten oder die wir gern aktiv vermeiden. 

Mit seiner eigenen Neugier inspiriert er eine gewisse Faszination über alle kleinen und großen Dinge, Räume, Wesen, die uns umgeben. Begibt man sich in einen Zustand, der allein Zuhören, einfach Wahrnehmen bedeutet, beginnt die Welt, sich greifbarer anzufühlen. So nimmt auch das dumpfe Tuckern einer Bahn, wie sie über die Schienen gleitet, langsam immer rhythmischere Züge an, das Dröhnen der Beschleunigung sowohl tiefer Bass, als auch streichend in seinem Klang. 

Ein kleiner Kosmos a concerto. Mit seiner Arbeit schafft er ein tiefes Bewusstsein für diese Welten. 

Bereits sehr jung entdeckte er eine Klangwelt, die sich manipulieren ließ und endlose Vielfalt bot, die mehr sein konnte, als jedes herkömmliche Instrument. In der Dokumentation erzählt er: “Ich weiß noch, als ich 19 oder 20 war und mir einen Sampler holte und dann aufgenommen habe, wie ich in einen Apfel beiße. Der Klang war einfach unglaublich. Man fühlt sich, wie etwas zwischen Stephen Hawking, Jesus und Jimi Hendricks. Es ist einfach…man hat den Klang der Welt entfesselt. Es ist als hätte man den Schlüssel zum Universum bekommen.”

In seiner persönlichen Arbeit richtet sich Herbert nach seinem „Manifesto of Mistakes“. Die 11 Grundsätze bedeuten zum Beispiel, dass eine wiederholte Benutzung aufgenommener Sounds verboten ist. Die Musik anderer Personen sowie Klänge, die bereits existieren dürfen nicht verwendet werden. Außerdem keine Verwendung von Synthesizern, keine Presets, keine Drumcomputer, etc.

Als Künstler kreiert er Synergien zwischen den verschiedensten sozio-politischen, philosophischen Konzepten. In “A Symphony of Noise”  vertont er unter anderem eine Liebesgeschichte zweier Menschen, an den gegenüberliegenden Ufern des Ärmelkanals, mit einer Person in Großbritannien und der anderen in Frankreich unter dem Titel “What does Brexit sound like?”. Hierfür werden Tonaufnahmen einer Schwimmerin gemacht, während sie den Kanal durchquert. Herbert sieht etwas romantisches aber auch humoristisches zwischen England und Frankreich und versucht mit diesem Stück Gedanken anzustoßen, über die Beziehung der beiden Nachbarn, was bedeutet es für Großbritannien eine Insel zu sein und wie versucht man ein Gefühl von Verbundenheit zu erreichen? Aber auch, was passiert falls alles schief läuft, könnte man einfach nach Europa schwimmen, sollte sich Großbritannien in eine rechts-lehnende Horrorshow verwandeln?

Matthew Herbert möchte mit seiner Arbeit provozieren, aber wohl vor allem dazu anregen, die Art zu überdenken, in der wir unsere Umwelt wahrnehmen und mit ihr interagieren, Perspektiven Raum zu geben, die sonst allzu leicht übersehen werden.
So regt “A Symphony of Noise” zum Erkunden an und weckt eine kindliche Neugier auf die Welt. Macht Lust darauf, auch den unschönen Klängen zuzuhören, sich Geschichten über sie auszudenken und mehr über sie zu erfahren. Hinhören ist gefragt.